Veranstaltung: | Landesdelegiertenrat MV 26.03.2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Themenschwerpunkt "Klimaschutz" |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Einstimmig durch LDR beschlossen. |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenrat |
Beschlossen am: | 26.03.2022 |
Eingereicht: | 29.03.2022, 16:46 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Leitantrag "Klimaschutz, Innovation und Nachhaltigkeit"
Beschlusstext
„Wenn man bei einer Aufgabe bleibt, wenn man überzeugt ist, das Richtige zu tun,
und wenn man alle Energie in diese eine Sache steckt, kann man Erstaunliches
bewirken.“
(Wangari Muta Maathai, Friedens-Nobelpreisträgerin)
Die Herausforderungen, vor denen unser Land steht, sind enorm. Der Klimawandel
ist bereits angekommen. Die Ziele des Pariser Klima-Abkommens erscheinen heute
ambitionierter als noch vor 7 Jahren, als sie international vertraglich
vereinbart wurden. Die vergangenen Bundesregierungen und unsere
Landesregierungen haben dringend nötige Reformen verschlafen, bis das
Bundesverfassungsgericht sie unsanft weckte. Zu lange ist die Abhängigkeit von
importierten fossilen Rohstoffen der Energiesicherheit aus eigener regenerativer
Energie vorgezogen worden. Heute erleben wir, wie unser Rohstoffbedarf die
Sicherheitsarchitektur unseres gesamten Kontinentes in Gefahr bringt.
Den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu deutlich reduzieren, bedeutet nicht nur den
weltweiten Klimawandel aufzuhalten, es bedeutet auch, eine neue Friedensordnung
vorzubereiten. Für uns ist klar, Energiepolitik ist eine Frage der Sicherheit.
Für uns und für kommende Generationen.
Damit Mecklenburg-Vorpommern seinen Beitrag zur außenpolitischen Stabilität der
EU und zur energiepolitischen Unabhängigkeit Deutschlands leisten kann und
künftige Konflikte verhindert werden, fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MV die
Landesregierung auf, in den kommenden Jahren folgende Reformen konsequent
umzusetzen:
- Erneuerbare Energien konsequent weiter ausbauen!
Wir müssen Ausbauhürden überwinden, dringend schneller werden und mehr Akzeptanz
schaffen. Die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Beteiligung der Bürger*innen
und Kommunen an der Energiewende, zum Beispiel über Bürgerenergieprojekte,
müssen ausgebaut werden. Über den unmittelbaren ökonomischen Nutzen muss die
Akzeptanz für Maßnahmen der Energiewende wachsen. Standortgemeinden von
Windparks sollen beispielsweise risikofrei zwei Prozent der Einnahmen erhalten.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien darf dabei nicht gegen den heimischen
Artenschutz ausgespielt werden. Mit Artenhilfsprogrammen müssen die Populationen
windenergie-sensibler Arten gestützt und über die Landes- und Regionalplanung
neue Lebensräume zur Verfügung gestellt werden.
- Ein aussagekräftiges Klimamonitoring installieren
Damit der Umbau unserer Wirtschaft gezielt und mit Augenmaß geplant werden kann,
bedarf es eines aussagekräftigen öffentlichen Klimaschutzmonitorings. Wir
fordern einen jährlichen „Energiewende- und Klimaschutzbericht“ in dem die
Treibhausgasemissionen aus den Mooren, der Landwirtschaft, bei der
Energiegewinnung, im Verkehr, bei der Wärmeproduktion, aber auch in der
Industrie und der Abfallwirtschaft transparent erfasst und ausgewiesen werden.
Alle neuen Landes- und Kommunalprojekte dürfen nur noch unter dem Vorbehalt
beschlossen werden, dass sie mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind.
- Kommunen beim Klimaschutz unterstützen
Kommunen müssen bei den Klimaschutzmaßnahmen des Landes durch neue gesetzliche
Rahmenbedingungen besser eingebunden werden. So wird gewährleistet, dass die
beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen von Land und Bund konkret in den Kommunen
umgesetzt werden können, um die Klimaziele von Paris und ihre nationalen
Konkretisierungen schnellstmöglichst erreicht werden. In der Praxis heißt das,
dass jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt mit Hilfe von
Klimaschutzmanager*innen ein eigenes Klimaschutzmanagement entwickelt. Die dafür
erforderlichen Stellen und die Konzepterstellung können bereits heute über die
Kommunalrichtlinie M-V gefördert werden. Zum Tätigkeitsfeld der
Klimamanager*innen gehört es, kommunale Emissionsbilanzen und darauf aufbauend
Klimaschutzkonzepte zu erstellen. Sie informieren und beraten Bürger*innen,
Verwaltung
und Kommunalpolitik bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen vor Ort. Erst
durch diese Beratungsstruktur erhält der Klimaschutz vor Ort seine Dynamik.
Aktuell fehlen vielen Kommunen in MV noch die finanziellen Mittel, den kommunale
Klimaschutz zu stemmen.Viele haben nicht einmal die Möglichkeit,
Bundesfördermittel abzurufen, weil sie den nötigen Eigenmittelanteil nicht
aufbringen können. Wir fordern, dass das Land rechtlich verbindlich für die
Finanzierung der kommunalen Klimaschutz-Aufgaben Unterstützung leistet. Das
sehen wir als den einzigen Weg an, die Kommunen bedarfsgerecht bei der
Finanzierung zu unterstützen. Nur so kann Mecklenburg-Vorpommern zukünftig
flächendeckend auch von den bereitgestellten Bundesmitteln profitieren.
- CO2-freie Wärme fördern
Klimaneutrale Wärmeplanung ist als kommunale Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge
landesweit einzuführen. Wärmepläne sollten für alle Städte und Landkreise bis
spätestens Ende 2024 erstellt werden. Hierbei müssen die Potenziale zur Senkung
der Wärmebedarfe und die Transformation zur klimaneutralen Wärmeerzeugung
ausgewogen in einem Wärmewendekonzept zusammengeführt werden. Die Planung und
Realisierung klimaneutraler kommunaler Nah- oder Fernwärmeversorgung sowie der
Ausbau vorhandener Wärmenetze muss ein zentrales Klimaschutzziel des Landes
werden. Landesfördermittel sind den Kommunen als Ergänzung zur Bundesförderung
in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen. Es ist in den kommenden Jahren
vordringliche Aufgabe der Landes- und Kommunalpolitik, die Wärmeversorgung der
Bevölkerung zu sichern, indem sie möglichst unabhängig von ausländischen
Rohstoffen wird.
- Energiebedarf durch nachhaltige Stadtplanung senken
Weitreichende Klimaziele erfordern eine nachhaltige Raumplanung über alle
Planungsstufen hinweg. Das Ziel des Bundesumweltministeriums, die bundesweite
Flächenversiegelung in Deutschland bis 2030 auf 20 ha/Tag zu reduzieren, muss
anteilig auf die Kommunen und Landkreise in M-V berechnet und realisiert werden.
Dieses Ziel muss im Landesraumentwicklungsprogramm verankert werden.
Flächennutzungspläne steuern beispielsweise den Erhalt von Grünräumen, begrenzen
Flächenverbrauch durch nachhaltige Siedlungsdichten, sichern Flächen für
Erneuerbare Energieversorgung und definieren grundlegende Parameter für die
Wirtschaftlichkeit von Wärmenetzen und öffentlichem Nahverkehr. Die
Landesvorgaben für die Flächennutzungspläne (FNP) müssen an den Klimaschutz
gekoppelt und durch klimabezogene Raumziele vorgeprägt werden. Bebauungspläne
sind bereits vom Aufstellungsbeschluss an durch die Erstellung von Energie- und
Klimaschutzkonzepten zu untersetzen. Stadtentwicklung ist quartiersbezogen auf
die Förderkulisse von energetischen Sanierungsgebieten zu orientieren, sodass
die Themen grüne Wärmenetze, energetische Gebäudesanierung, Klimawandelanpassung
und Verkehrswende für mehr Klimaschutz und Lebensqualität miteinander verbunden
werden können, denn ein wesentliches Klimaschutzpotenzial liegt im
Gebäudebestand und gut funktionierenden Ortskernen.
- Das Landesenergiekonzept überarbeiten
Die Landesregierung muss schnellstmöglich das Landesenergiekonzept anpassen und
genaue Vorgaben machen, wie und in welchen Bereichen der Ausbau der erneuerbaren
Energien bis 2035 vorangebracht werden soll und genauen Aufschluss darüber
geben, wie die Energienetze landesweit ausgebaut werden sollen. Dieses Konzept
muss auch verbindlich mindestens zwei Prozent der Landesfläche für
Windkraftanlagen und ein Prozent der Landesflächen für Solarenergie an Land
ausweisen und eine Solarpflicht für Neubauten beinhalten.
Das Landesenergiekonzept muss den fachlichen Rahmen für die Energiekapitel des
neuen Landesraumentwicklungsprogramms und der regionalen
Raumentwicklungsprogramme vorgeben.
- Moore und Wälder nachhaltig umbauen
Die Wiedervernässung von Mooren und der Schutz von Moorböden muss durch die
Landesregierung forciert werden. Sie bilden das größte Potenzial, um in wenigen
Jahren Treibhausgase effektiv zu senken. Rund 30 Prozent der gesamten
Treibhausgas-Emissionen im Land stammen aus meist landwirtschaftlich genutzten,
entwässerten Moorböden.
Zur zügigen und ambitionierten Umsetzung der anspruchsvollen und komplexen
Aufgabe der Wiedervernässung der Moorböden und Etablierung einer neuen Form der
Landwirtschaft auf dem geeigneten Teil dieser wiedervernässten Böden, die den
Torfkörper erhält (Paludikultur), muss unverzüglich ein spezielles
Moorklimaschutz-Programms für M-V erarbeitet werden. Reduktionsziele und
Instrumente des Moorklimaschutzes müssen festgelegt und Förderinstrumente für
die Anhebung und Regulierung der Wasserstände sowie die Paludikultur-Nutzung
geschaffen werden. Die Fachstrategie zur Etablierung von Paludikulturen muss in
die Umsetzung gebracht werden. Die systematische Förderung des besonders
klimaschädlichen Ackerbaus auf entwässerten Moorböden muss eingestellt werden.
Vorhabenträger und Behörden benötigen zum Aufbau von Kompetenzen und Kapazitäten
für die Umsetzung und Genehmigung von Projekten Unterstützung und eine
landesweite Strategie für ein systematisches effektives Vorgehen.
Das Land hat Vorbildfunktion und sollte die Wiedervernässung und neue
klimagerechte Nutzung der circa 15.000 ha landeseigenen landwirtschaftlich
genutzten Moorflächen prioritär umsetzen.
Die Wasser- und Bodenverbände müssen dabei unterstützt werden, die neue Aufgabe
des Schutzes der Moorböden und des Wasserrückhaltes in der Landschaft
aufzugreifen und umzusetzen.
Darüber hinaus fordern wir ein Waldklima-Programm, das die Landeswaldflächen
nicht nur ausbaut, sondern insbesondere die bestehenden Wälder den neuen
klimatischen Bedingungen durch massiv beschleunigten ökologischen Umbau anpasst.
- Bildungsoffensive für den Klimaschutz
Klimaschutz muss in den Lehrplänen stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
Für neue nachhaltige Wirtschafts- und Produktionsformen benötigen wir zukünftig
geschulte Fachkräfte, welche im Bereich Energie- und Wärmegewinnung,
Bauwirtschaft, Mobilität, Industrie und Forschung die notwendigen Innovationen
vorantreiben. Dies umfasst nicht nur die Schulpläne, sondern auch eine
Aktualisierung der Lehrinhalte an Berufsschulen und Hochschulen. Zusätzlich
müssen die spezialisierten Abschlüsse ausländischer Fachkräfte zukünftig
schneller staatlich anerkannt und das Weiter- und Fortbildungsangebot, unter
anderem auch für Handwerker*innen, konsequent ausgebaut werden. Der Wettbewerb
um die Fachkräfte der Zukunft wird nicht zu gewinnen sein, wenn man MV als
Ausbildungsort nicht auf die Herausforderungen der Zukunft einstellt.
- Saubere Mobilität stärken
Das Auto ist aus einem Flächenland wie dem unseren momentan nicht wegzudenken.
Um im Verkehrssektor maßgeblich CO2 einzusparen, fordern wir deshalb eine
landesweite Strategie zum schnellen Ausbau von E-Ladeinfrastruktur. Der
konsequente Umstieg auf E-Mobilität fördert unsere Unabhängigkeit von Rohstoff-
Importen und hält Wertschöpfung im Land.
Die nachhaltige Mobilitätspolitik der Zukunft muss aber auch Alternativen zum
privaten PKW schaffen und öffentliche Verkehrsangebote anbieten. Es bedarf der
Bereitstellung von Mobilitätsstationen an zentralen Bus- und Bahnhaltestellen,
damit dort schnell auf andere Verkehrsangebote wie Fahrräder und Carsharing-
Angebote umgestiegen werden kann. Zudem müssen die Ober- und Mittelzentren des
Landes endlich mit einem kostengünstigen, durchgängig gültigen MV-Ticket im
Stundentakt erreichbar sein. Nur wenn der Öffentliche Personenverkehr für die
Menschen im Land praxistauglich wird, haben sie die Möglichkeit, auf das eigene
Auto verzichten zu können.
In den größeren Städten des Landes brauchen wir darüber hinaus sichere und
komfortable Möglichkeiten für den Radverkehr, damit mehr Menschen vom Auto auf
das Rad umsteigen können. Und auch im ländlichen Raum muss mit gut erreichbaren
und sicheren Abstellanlagen an schnellen Buslinien das Rad als komfortables
Verkehrsmittel im Alltag etabliert werden. Dies stärkt nicht nur den heimischen
(Rad-)Tourismus, sondern eröffnet auch verkehrssichere Mobilität für Menschen,
die sich kein Auto leisten können oder zu jung sind, um einen Führerschein zu
haben.
- Klimafreundliche Landwirtschaft stärker fördern
Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern geht nur gemeinsam mit den Landwirt*innen.
Sie gehören in den Fokus, da die Landwirtschaft einerseits stark von
klimatischen Verhältnissen abhängig und von den Folgen des Klimawandels direkt
betroffen ist. Andererseits verursacht sie selbst 8,2 Prozent der
Treibhausgasemissionen in Deutschland (2020, entwässerte Moorböden,
Grünlandumbruch, Düngemittelproduktion, landwirtschaftlichen Verkehr, Wärme und
Energieverbrauch nicht eingerechnet). Methanemissionen aus der Tierhaltung und
Lachgas-Emissionen aus der Düngung und Bearbeitung landwirtschaftlicher Böden
belasten unser Klima. Die EU-Fördermittel müssen wesentlich stärker dafür
genutzt werden Landwirt*innen bei der Umstellung auf klimafreundliches
Wirtschaften zu unterstützen.
Der Senkung der Stickstoffüberschüsse in unserer Kulturlandschaft kommt hohe
Bedeutung zu, da dadurch viele Synergien mit weiteren Umweltzielen erreicht
werden können. Eine emissionsarme und am Pflanzenbedarf orientierte Düngung, die
Stickstoffüberschüsse und somit Lachgasemissionen aus landwirtschaftlich
genutzten Böden verringert, reduziert Treibhausgasemissionen weiter.
Der Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bis
2030 ist ein wichtiger Beitrag, da große Synergieeffekte mit weiteren
Umweltzielen bestehen. Der Ökolandbau verursacht – bezogen auf ein erzeugtes
Lebensmittel – zwar durch die geringeren Erträge etwa gleich hohe Emissionen wie
im konventionellen Landbau. Bei der Betrachtung bezogen auf die Fläche
verursacht die ökologische Landwirtschaft jedoch geringere Emissionen, da keine
chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt werden, die
Lachgasemissionen niedriger sind und der Kohlenstoffgehalt der Böden häufig
höher ist.
Die gezielte Wirtschaftsförderung von tierschutzgerechter, flächengebundener
Nutztierhaltung mit Weidehaltung reduziert nicht nur den Düngemittelbedarf,
sondern führt auch durch die Reduzierung der Nutztierbestände zu einem
geringeren Methanausstoß und bindet im beweideten Grünland dauerhaft CO2.
Ein entscheidender Hebel zur Senkung der Treibhausgasemissionen ist die
vermehrte Vergärung von Gülle, Mist und anderen landwirtschaftlichen
Reststoffen. Insgesamt gilt es, die Energieeffizienz in der Landwirtschaft zu
steigern.
Neben diesen Maßnahmen in der Landwirtschaft sind durch das Land ebenso
Kampagnen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen und zu klimagerechten
Ernährungsweisen notwendig.
- Einen Katastrophenschutzfonds aufstellen
Klimakatastrophen, beispielsweise durch Extremwetterphänomene, kommen ohne
Vorankündigung und machen auch an Landesgrenzen keinen Halt. Wir fordern die
Landesregierung auf, einen Sonderhilfsfonds vorzuhalten, damit schnell und
solidarisch finanzielle Hilfe bei der Beseitigung der Extemwetterschäden und
falls notwendig bei der Wiederaufbauhilfe geleistet werden kann. Denn in diesen
Situationen zählt für die betroffenen Menschen jede Sekunde.