Veranstaltung: | Landesdelegiertenrat MV 26.03.2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 6. Aktuelle Debatte |
Antragsteller*in: | Arndt Müller (KV Schwerin) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 26.03.2022, 12:01 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A2_neu: Verteidigungspolitik muss rational bleiben – Klimaschutz und internationale Kooperation statt pauschale Aufrüstung
Antragstext
- Der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern
verurteilt in aller Schärfe den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
Russlands gegen die Ukraine. Wir stehen solidarisch an der Seite der
Menschen der Ukraine, beteiligen uns an Hilfsmaßnahmen und treten für eine
schnellstmögliche Beendigung des Angriffs und den vollständigen Rückzug
russischer Truppen von ukrainischem Staatsgebiet ein.
- Verteidigungspolitik muss rational und erklärbar sein – eine Erhöhung der
Mittel für Verteidigung von ca. 47 auf dann dauerhaft 70 und mehr
Milliarden Euro pro Jahr ist dies nicht. Ebenso verhält es sich mit dem
Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, die für die nächsten Jahre zur
Verfügung stehen sollen und die den bereits in der Vergangenheit
aufgestockten Verteidigungsetat zusätzlich erweitern. Geht man von einer
Personenstärke von 185.000 aktiven Soldat:innen aus, stünden dann je
Soldat:in in jedem Jahr etwa 400.000 Euro zur Verfügung. Wir bezweifeln,
dass diese Ausgabensteigerung allein mit nachholender verbesserter
Ausstattung der Truppe für die Landesverteidigung und für Kriseneinsätze
zu begründen ist. Alleine die EU-Staaten geben bereits jetzt mit ca. 340
Milliarden € pro Jahr etwa fünfmal so viel wie Russland für ihre
Streitkräfte aus. Der NATO-Partner USA wendet mehr als 600 Milliarden pro
Jahr auf.
- Die Probleme der Bundeswehr liegen in erster Linie im Beschaffungswesen.
Wir appellieren an den Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion von
Bündnis 90/Die Grünen, darauf hinzuwirken, dass die Mittel für die
Bundeswehr für ein besseres und an Effizienz ausgerichtetes
Beschaffungswesen und nicht für die pauschale Vermehrung von
Waffensystemen eingesetzt werden.
- Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern von Bündnis 90/Die Grünen lehnt
die vom Koalitionspartner FDP geäußerte Zielstellung, die „Bundeswehr zu
einer der schlagkräftigsten Armeen“ zu entwickeln, ab. Die Formulierung
derartiger Superlative verbietet sich vor dem Hintergrund der Geschichte
des vergangenen Jahrhunderts, in der deutsche Armeen entsetzliches Leid
über Europa gebracht haben.
- Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern fordert die Bundesregierung auf,
die jetzt veranschlagten 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sowie die
2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zusätzlich zu den bereits
veranschlagten Mitteln für den Kampf gegen den Klimawandel und gegen die
soziale Ungleichheit in unserem Land einzusetzen.
Begründung
Trotz der uns alle schockierenden Ereignisse um den Überfall der Ukraine durch Russland, dürfen nun nicht Schlussfolgerungen gezogen werden, die dem bereits in der Vergangenheit erfolglosen Wettrüsten der militärischen Blöcke gleichen. Die einmalige Erhöhung des Wehretats um 100 Milliarden Euro zusätzlich zu den bereits im Haushalt veranschlagten rund 50 Milliarden Euro ist uns zu pauschal. Sie geht bisher nicht nachvollziehbar auf die tatsächlichen Herausforderungen bei der Organisation und Ausrüstung der Bundeswehr ein. Bereits 2016 kündigte die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, in den kommenden 15 Jahren insgesamt 130 Milliarden Euro in die Ausrüstung der Bundeswehr investieren zu wollen und das bereits unter Berücksichtigung der sicherheitspolitischen Lage nach Annexion der Krim durch Russland1. Diese Summe ist demnach bereits in der Langfriststrategie für den Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik berücksichtigt. Nun sollen jedoch zusätzliche Mittel von 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden, sowie eine Erhöhung der jährlichen Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes durchgeführt werden.
Die Bundeswehr muss so ausgestattet sein, dass sie einerseits unser Land verteidigen und anderseits den Bündnisverpflichtungen in der NATO nachkommen kann. Jegliche darüberhinausgehende Kapazitätserhöhung ist nicht vom Grundgesetz gedeckt (GG Artikel 87a).
Aufgrund unserer Verantwortung vor der Geschichte haben wir Sorge dafür zu tragen, dass eine deutsche Armee nie wieder den Anspruch formuliert, „größte“, „schlagkräftigste“ oder „stärkste“ Armee zu sein. Dies ist in entsprechenden Verlautbarungen immer wieder klar zu stellen. Die Bundeswehr dient ausschließlich der Verteidigung sowie Aufgaben, für die sie ein Mandat durch den Bundestag erhält.
Eine pauschale Zuweisung von 100 Milliarden Euro an die Bundeswehr kann im Zweifelsfall nicht zu einer messbaren Steigerung der Abwehrbereitschaft beitragen, wenn sie nicht an den tatsächlichen Erfordernissen, an den tatsächlichen Aufgaben und den tatsächlichen Fehlstellen der Streitkräfte orientiert ist. Die Erhöhung des Wehretats darf auf keinen Fall eine pauschale Finanzspritze für die Rüstungsindustrie sein, sondern muss zu einer messbaren Verbesserung der Aufgabenerfüllung führen.
Inwieweit 100 Milliarden Euro möglicherweise auch deutlich zu hoch angesetzt sind, muss mit den entsprechenden Expertinnen und Experten diskutiert werden. Auf keinen Fall darf vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen aus dem Blickfeld geraten, dass eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Themen, vielleicht sogar das wichtigste Thema, der Kampf gegen den Klimawandel und die mit ihm im Zusammenhang stehenden finanziellen Herausforderungen aus dem Blickfeld geraten. Modellrechnungen bilanzieren für Deutschland einen wirtschaftlichen Schaden von 730 Milliarden Euro in den nächsten 50 Jahren, wenn wir nicht jetzt konsequent Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen2.
Unterstützer*innen
- Falk Jagszent (KV Mecklenburgische Seenplatte)
- Gaby Raasch (KV Ludwigslust-Parchim)
- Jana Bürger (KV Rostock)
- Ulrike Seemann-Katz (KV Ludwigslust-Parchim)
- Andreas Katz (KV Ludwigslust-Parchim)
- Jan Dieminger (KV Nordwestmecklenburg)
- Claudia Schulz (KV Rostock)
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